Es gibt Momente in der Politik, die entlarven Macht als Illusion. Friedrich Merz: Oppositionsführer, Strippenzieher, Kanzlerkandidat, fällt im ersten Wahlgang durch. Und das in einem Szenario, das nach außen als sicher galt: Stimmen gezählt, Reihen formiert, Mehrheit eingeplant.
Doch Politik funktioniert, ähnlich wie Verhandlungen, nicht immer nach Drehbuch. Sie ist Psychologie, Misstrauen und meistens auch ein Machtspiel im Hintergrund.
Was macht Merz? Kein Wundenlecken, kein Theater, kein Drama.
Stattdessen: Reframing! Eine Verhandlungstaktik bei der einem bestehenden Ereignis eine neue Bedeutung geben wird. Nicht lügen, nicht vertuschen, sondern den Blickwinkel verändern. Weg vom Problem, hin zur Perspektive. Wer reframed, will nicht vergessen machen, sondern neu einordnen.
Ist das rhetorische Spielerei? Nein, denn es geht um Deutungshoheit. Um Führung und Vertrauen. Denn in Krisenmomenten, wie z.B. einer verlorenen Kanzlerwahl, zählt nicht nur, was passiert ist, sondern vor allem, wie es weiter geht. Reframing nutzt genau diese Lücke: zwischen Realität und Interpretation. Wer sie klug nutzt, sei es in Verhandlungen oder der Politik, kann aus Niederlagen Stärke schöpfen.
Friedrich Merz deutet das Debakel nicht als Scheitern, sondern als Teil eines demokratischen Prozesses. Haltung zeigen statt Heulen, gut gemacht!
Ein einmaliges Reframing reicht allerdings nicht. Wer mittels langfristigem Reframing neu gestalten will, muss liefern. Merz muss raus aus der Daueropposition „gegen die Ampel“ und rein in ein eigenes Narrativ. Ein Plan. Ein Ziel. Eine Zukunftsvision.
Jetzt zählt: Inhalte statt Inszenierung. Reframing war der erste Schritt, gestalten muss der zweite sein. Sonst bleibt Merz nur eins: der Mann, der fast Kanzler wurde und es besser geblieben wäre.
Reframing heißt dabei: dieselbe Situation neu betrachten. Doch damit diese neue Perspektive überhaupt angenommen wird, braucht es ein Mindestmaß an Vertrauen. Wer reframed, will deuten, neu ordnen, lenken. Das gelingt nur, wenn die Zuhörenden glauben, dass der Absender es ehrlich meint, und nicht einfach nur schönfärbt. Vertrauen ist der Türöffner. Ohne Glaubwürdigkeit bleibt jedes Reframing ein rhetorischer Versuch, der im Misstrauen versickert.
Genau hier liegt der Hund begraben, denn dieses Vertrauen hat sich Merz durch seine eigenen Wortbrüche selbst entzogen. Wer Kooperation mit der AfD kategorisch ausschließt und dann lokal durchwinkt, untergräbt seine Glaubwürdigkeit. Wer für Wehrpflicht trommelt, aber beim ersten Gegenwind abtaucht, verliert Führungskraft. Wer solche Signale aussendet, muss sich nicht wundern, wenn selbst die eigenen Leute anders abstimmen, als vereinbart.
Eines muss man Ihm dennoch lassen, das akute Reframing beherrscht er. Keine Ausflüchte, keine Schuldzuweisungen, keine aufgesetzte Dramatik. Auf jede provokante Journalistenfrage folgte eine ruhige, klare Antwort. Merz hat das Momentum nicht zersägt, sondern gezielt genutzt. Er hat die Deutungshoheit nicht aus der Hand gegeben, sondern direkt vor laufender Kamera neu gesetzt. Haltung, nicht Hektik.
Akutes Reframing, Haken dran. Langfristiges Reframing? Ausbaufähig. Daher hier ein Tipp von mir an Sie Herr Bundeskanzler Merz: Nutzen Sie die Kunst des langfristigen Reframings und verwandeln Sie das gegen Sie gehegte Misstrauen in Vertrauen. Denn Vertrauen ist alles! Wer es verspielt, verliert.